In den 1850er Jahren begann Großbritannien damit erste Bahnstrecken in Britisch-Indien zu bauen und errichtete hier bis zum Ersten Weltkrieg eines der größten Eisenbahnnetze der Welt. 1853 wurde die erste Strecke der Great Indian Peninsula Railway (GIPR) eröffnet. Im Jahr darauf folgte der erste Streckenabschnitt der East Indian Railway (EIR). 1871 war das indische Bahnnetz bereits 8190 km lang. Ende 1885 waren es 19775 km und 1912 bereits 53876 km, also weitaus länger als das britische Schienennetz, das 1912 gerade mal 37740 km erreichte. Um 1900 war alleine die North Western Railway (NWR) mit über 5000 km Streckenlänge die größte Eisenbahngesellschaft in Britisch-Indien und hatte damit ein längeres Schienennetz, als die größte damalige Eisenbahngesellschaft Großbritanniens, die Great Western Railway. Die Karte rechts zeigt den Stand um 1912.
Die meisten Eisenbahnen wurden hier mit einer Spurweite von 5 Fuß 6 Zoll (1676 mm) gebaut, wodurch diese Spurweite als Indische Spur oder auch als Kolonialspur bekannt wurde. Daneben entstanden auch viele Schmalspur-Strecken vor allem in der Meterspur, also mit 1000 mm Spurweite.
Die Indische Spurweite ist aber bis heute in den Ländern Indien, Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka, die zum damaligen Britisch-Indien gehörten, die am weitesten verbreitete Spurweite. Teilweise wird sogar das alte Meterspurnetz umgespurt oder auch Neubaustrecken errichtet.
Die Einführung der Breitspur in Indien geht auf eine Entscheidung des Schotten James Andrew Broun-Ramsay zurück, der von 1848 bis 1856 Generalgouverneur von Britisch-Indien war. Ramsay, war ein Cousin von William Maule, dem Geldgeber der Dundee and Arbroath Railway, die zu dieser Zeit diese Spurweite verwendete. In Großbritannien wurde dieses Maß nur anfangs bei der Dundee & Arbroath Railway und der Arbroath & Forfar Railway in Schottland verwendet, jedoch bald schon auf die hier übliche Spurweite von 1435 mm umgespurt.
Die ersten Eisenbahnen in Indien
Die beiden ersten bereits 1845 gegründeten Eisenbahngesellschaften waren Britische Aktiengesellschaften in privatem Besitz mit Sitz in London. Da Britisch-Indien von der East Indian Company verwaltet wurde, mussten sich die Gesellschaften ihre Projekte von dieser Gesellschaft genehmigen lassen.
Great Indian Peninsula Railway
Die Great Indian Peninsula Railway (GIPR), war nicht nur die erste Eisenbahn in Indien, sondern in ganz Asien.
Sie wurde 1845 in London gegründet. Der Verwaltungsrat bestand aus 25 Briten, darin eingeschlossen einige Beamte der Ostindien-Kompanie und Bankangestellte aus London. Auch Robert Stephenson und zwei Direktoren bzw. Vorstandsmitglieder der britischen Northern and Eastern Railway (N&ER) waren im Verwaltungsrat. Die N&ER war zu dieser Zeit ein reines Finanzunternehmen ohne eigenen Bahnbetrieb.
1853 wurde die erste Teilstrecke eröffnet. Das Hauptstrecke der GIPR führte von Bombay in nordöstlicher Richtung nach Jublulpore. 1900 wurde das Streckennetz vom indischen Staat übernommen, aber weiter von der GIPR betrieben. Das Streckennetz wuchs stetig und schnell an und war 1918 über 5500 km lang. 1925 folgte die Verstaatlichung und 1951 wurde die Bahn mit in das Netz der Indian Railways integriert.
Ende 1874 war die GIPR im Besitz von 345 Lokomotiven, 1309 Personen- und 7924 Güterwagen. 1906 kaufte die Gesellschaft einen Dampftriebwagen bei Kerr, Stuart & Company.
Das Bild rechts zeigt eine Dampflok der GIPR Class X46, die 1905 von Kitson & Co. gebaut wurde. Insgesamt entstanden 19 Maschinen dieser Klasse. Mehr oder weniger baugleiche Maschinen - natürlich ohne Kuhfänger und mit anderer Spurweite - waren auch bei der britischen Lancashire and Yorkshire Railway im Einsatz. Sie wurden bereits 1877 von William Barton Wright konstruiert und waren weltweit die ersten Dampflokomotiven mit der Achsfolge 0-6-2T.
Das Bild stammt aus dem Bildarchiv der ETH Zürich. Eine höhere Auflösung des Bildes finden Sie hier.
East Indian Railway
Die East Indian Railway (EIR) wurde ebenfalls 1845 in London gegründet. Die Eröffnung der ersten Teilstrecke erfolgt 1854. Sie ging von Howra nordwestlich zu dem fruchtbaren Gangestal und stellte insbesondere auch die Verbindung mit dem reichsten Kohlenfeld Indiens bei Karharbari her. Anfangs mussten alle Lokomotiven und Wagen mit Segelschiffen von Großbritannien nach Indien transportiert werden. 1859 hatte die EIR bereits 77 Dampflokomotiven, 228 Personenwagen and 848 Güterwagen. 1900 waren es fast 14.000 Güterwagen, 1905 bereits über 17.000. Ab 1907 kamen auch Dampftriebwagen zum Einsatz.
1870 wurden die Netze der EIR und der GIPR verbunden und man konnte erstmals ohne Umsteigen von Bombay nach Kalkutta fahren. Am 1. Januar 1880 wurde das Schienennetz vom Staat übernommen, aber weiter von der EIR betrieben. Ende 1910 war das Netz der EIR 3563 km lang. 1925 wurde die Bahn dann verstaatlicht und 1951 mit in das Netz der Indian Railways integriert.
Weitere Gesellschaften
In den Folgejahren entstanden viele weitere Gesellschaften, wie die Bengal Nagpur Railway, North Western Railway (NWR), South Indian Railway, u.s.w. Die meisten waren aber im Gegensatz zur GIPR und EIR dann in Indien selber gegründete Gesellschaften.
Folgen des langjährigen Streiks bei den britischen Lokomotivfabriken - Chance für Deutschland in Indien
Naturgemäß ließen die frühen britisch-indischen Gesellschaften die meisten Lokomotiven in Großbritannien bauen. Wegen eines sehr langen Streiks von 1897 bis Frühjahr 1898 in der britischen metallverarbeitenden Industrie, waren die Lieferzeiten für Dampflokomotiven damals sehr lang, sodass einige britische Bahngesellschaften in den USA bei verschiedenen Lokomotivfabriken neue Lokomotiven bestellten.
Die britisch-indische EIR ging einen anderen Weg. Ende 1900 entschied man sich 50 Güterzuglokomotiven der Baureihe CA bei Hanomag in Hannover zu bestellen. Die englische Firma Rendel and Robertson, Engineering und Consulting (heute Rendel Ltd.) wickelte damals für die EIR die Abnahme der Lokomotiven ab. Die Überwachung von Sorgfalt und Genauigkeit der Arbeitsausführungen war erheblich strenger und penibler als bei anderen Eisenbahngesellschaften zu dieser Zeit. Zuständig war damals Ingenieur William Arthur Lelean, der bei William Dean von der Great Western Railway in die Lehre gegangen war.
Es gab etliche Probleme und Beanstandungen bei der Produktion und so kam es, dass die letzten der 50 Maschinen (eigentlich waren es am Ende 54, weil ein Schiff mit vier Maschinen gesunken war) erst Anfang 1903 das Werk in Hannover verlassen konnten. Es entstand in diesen Jahren dafür der Begriff "englische Krankheit", die bei Hanomag ausgebrochen war.
Einzig in Bezug auf die Domhauben der Loks kam man Hanomag entgegen und es durfte eine abgeflachte Form - wie in Deutschland üblich - verbaut werden. Dies ist auch das wichtigste und auffälligste Merkmal an dem man gleich die Loks von Hanomag von denen von Neilson unterscheiden kann (siehe Bilder).
Lokomotive von Neilson & Co. mit runden Domhauben. Das Bild stammt aus dem Bildarchiv der ETH Zürich. Eine höhere Auflösung des Bildes finden Sie hier. |
Lokomotive von Hanomag mit abgeflachten Domhauben. |
Die Lokomotiven scheinen sehr erfolgreich gewesen zu sein, da danach sowohl Hanomag, als auch weitere deutsche Lokomotivhersteller Aufträge von verschiedenen indischen Eisenbahngesellschaften bekamen. Auch bei vielen späteren Lokomotiv-Baureihen für Indien ist das Hauptmerkmal die abgeflachte Domhaube, im Gegensatz zu baugleichen Maschinen von britischen Herstellern.
Die deutschen Lokomotivbauer hatten sich einen guten Ruf erarbeitet und so kam es, dass Borsig in Berlin Anfang 1914 einen Auftrag von der South Eastern and Chatham Railway (SECR) über zehn Lokomotiven der Baureihe SECR L Class bekam und Hanomag im Frühjahr 1914 einen Auftrag von der Taff Vale Railway (TVR) über vier Maschinen der TVR A Class. Die Maschinen von Borsig konnten gerade noch rechtzeitig vor Ausbruch des 1. Weltkrieges geliefert werden. Sie wurden in Einzelteilen nach England transportiert und dort von eigens angereisten Mitarbeitern von Borsig zusammengebaut. Die Rückreise der Arbeiter war sehr abenteuerlich, weil Großbritannien zu diesem Zeitpunkt bereits Deutschland den Krieg erklärt hatte. Im Falle des Auftrages der TVR an Hanomag kam es leider nicht mehr zur Ausführung und die TVR lies die Loks schließlich bei Hawthorn Leslie bauen.
Siehe auch
Britische Dampftriebwagen in Indien
Güterwagen der Bengal Nagpur Railway
Güterwagen der Great Indian Peninsula Railway
Personenwagen der Great Indian Peninsula Railway
Quellen
"History of the East Indian Railway", George Huddleston, Thacker, Spink & Company, Calcutta, 1906
"New Locomotives for the Great Indian Peninsula Ry.", The Locomotive Magazine, Vol. XII, No. 125 vom 14. Juli 1906; S. 114.
"Enzyklopädie des Eisenbahnwesens", Band 3., Freiherr von Röll, Berlin, Wien 1912
"Enzyklopädie des Eisenbahnwesens", Band 5. und 6., Freiherr von Röll, Berlin, Wien 1914
"Railway and locomotive engineering", New York, September 1914
"Tradition: Zeitschrift für Firmengeschichte und Unternehmerbiographie", Verlag C.H.Beck, 2. Jahrg., H. 3., August 1957
Weblinks
https://de.wikipedia.org/wiki/Bengal_Nagpur_Railway
https://de.wikipedia.org/wiki/East_Indian_Railway
https://de.wikipedia.org/wiki/Great_Indian_Peninsula_Railway
https://de.wikipedia.org/wiki/Madras_Railway
https://de.wikipedia.org/wiki/Madras_and_Southern_Mahratta_Railway
https://de.wikipedia.org/wiki/North_Western_State_Railway
https://de.wikipedia.org/wiki/South_Indian_Railway
https://de.wikipedia.org/wiki/Britische_Ostindien-Kompanie
https://de.wikipedia.org/wiki/Indian_Railways