Lokomotiven mit der Achsfolge 0-4-4T waren in Großbritannien Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts weit verbreitet.
Die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinende Radsatzanordnung hing mit der Entwicklung des britischen Eisenbahnnetzes zusammen.
Das Schienennetz im Großraum London war schon immer außerordentlich kurvenreich. Unzählige Gleise verlaufen in allen möglichen Richtung auseinander und wieder zusammen, kreuzen oder überqueren sich.
Da London bereits zu Beginn des Eisenbahnzeitalters ein dich bebautes und besiedeltes Umland besaß, gab es keinen Raum für großzügige Streckenplanungen. Außerdem verlegte anfangs jede kleine Eisenbahngesellschaft ihre eigenen Gleisen anstatt sich mit anderen abzusprechen und zu kooperieren. Dadurch entstand so ein verworrenes Schienennetz, dass am besten mit solchen Maschinen befahren werden konnte.
Lokomotiven mit zwei gekuppelten Treibachsen ohne Vorlaufachse hatten den Vorteil, dass sie aufgrund der Gewichtsverteilung auf kurvenreichen Strecken und beim häufigen anfahren und beschleunigen, wie es im Nahverkehr üblich ist, eine geringere Schleuderneigung aufwiesen. Damit die Reibungsmasse, also das auf den Treibrädern ruhende Gewicht bei fortschreitendem Verbrauch von Kohle und Wasser nicht unter einen kritischen Wert sank, wurden Kohle und Wasser weit hinten über den Laufrädern angeordnet. Die schweren Hauptbauteile der Lok wurden über den beiden Treibachsen angeordnet, sodass das Gewicht auf den Treibachsen immer konstant blieb.
Eine der ersten Maschinen dieser Art waren die 1866 gebauten SER 235 Class der South Eastern Railway. Danach legten sich immer mehr Gesellschaften solche Lokomotiven zu. Darunter die Midland Railway mit den 1869 und 1870 gebauten MR 690 Class und MR 780 Class, sowie der später gebauten MR 1833 Class, die North Eastern Railway mit den ab 1874 gebauten NER Bogie Tank Passenger und der späteren NER O Class, die Londoner Metropolitan Railway (siehe Bild rechts), aber auch Vorortbahnen wie die London, Tilbury and Southend Railway und viele weitere britische Eisenbahngesellschaften, wie die South Eastern Railway und die London, Chatham and Dover Railway. Auch die einzige Regelspur-Fairlie-Lokomotive die jemals für Großbritannien gebaut wurde und die 1895 gebaute private Dampflok Dunrobin des Duke of Sutherland, verwendeten diese Achsanordnung.
Auch bei Gesellschaften in Schottland, die keine Anbindung an London hatten waren solche Maschinen zu finden. So z.B. die R Class der Great North of Scotland Railway (GNoSR) oder auch die CR 104 Class und CR 171 Class der Caledonian Railway. Diese wurden dort ebenfalls im Vorortverkehr größerer Städte eingesetzt.
Die letzten in Großbritannien gebauten Maschinen mit dieser Achsanordnung waren die 1932 gebauten LMS Stanier Class 0-4-4T.
Außerhalb Großbritanniens war diese Achsanordnung sehr selten. Lediglich in Finnland, Dänemark und den USA waren sie früher zu finden.
In den USA hießen diese Maschinen Forney-Locomotives nach Matthias N. Forney, der für die Achsanordnungen 0-4-4-T und 0-4-6T von 1861 bis 1864 ein Patent hatte. Hier wurden sie ebenfalls im Vorortverkehr großer Städte wie New York, Chicago und Boston eingesetzt.
Quellen
Faszination Eisenbahn - Enzyklopädie der Eisenbahnen, erschienen 1997 im Atlas-Verlag
Weblinks
https://en.wikipedia.org/wiki/0-4-4T
https://en.wikipedia.org/wiki/Forney_locomotive